Europawerkstatt in Zittau – Juni 2019

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Wir sind Europa war zu Gast im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland. Eine Woche nach der Europawahl und des Volksentscheids zur Bewerbung Zittaus als europäische Kulturhauptstadt, haben vom 2. – 4. Juni 2019 insgesamt rund 120 Bürgerinnen und Bürgern mit Expertinnen und Experten aus Politik, Kultur und Gesellschaft über Europa diskutiert.

Unter dem Motto „Die Ruinen von Zittau. Alt versus Neu“ sind die Teilnehmenden des Fotografie-Workshops mit der Kamera durch Zittau gezogen. Die Stadt ist geprägt von verlassenen Fabrikhallen und seit Jahren leerstehenden Gebäuden – die Teilnehmenden des Workshops wollten dieser Atmosphäre eine junge Sicht auf die Stadt entgegensetzen. Eine Auswahl der dabei entstandenen Bilder wurde am Abschlussabend im Rahmen des Open Space Europe ausgestellt.

Beim European Youth Think Tank formulierten Schülerinnen und Schüler aus Tschechien und Deutschland ihre Vorstellungen zu Europa.

Die geographische Lage Zittaus in der Dreiländerregion bot den perfekten Rahmen für unseren European Youth Think Tank. 25 Schülerinnen und Schüler aus Zittau und der tschechischen Nachbarstadt Hrádek nad Nisou trafen dazu im Jugendhaus Villa zum ersten Mal aufeinander, um gemeinsam über Europa zu diskutieren. Ein Übersetzer half bei der Verständigung und so wurden zahlreiche Pläne formuliert, wie man in Zukunft zu verschiedenen Themen grenzüberschreitend zusammenarbeiten möchte. Die dabei entstandenen Ideen und Forderungen wurden während des Open Space Europe dem Oberbürgermeister Zittaus, Thomas Zenker, vorgestellt.

Teilnehmende des generationenübergreifenden Suppendialogs in der Richard-von-Schlieben-Oberschule.

Die Richard-von-Schlieben-Oberschule bot den Rahmen für eine besondere Gesprächsrunde. Auf Anregung des Kulturhauptstadtbüros Zittau 2025 verknüpften wir das bereits in anderen Städten erprobte Format des generationenübergreifenden Gesprächs mit einem gemeinsam zubereiteten Essen zu einem „Suppendialog“. Die acht Schülerinnen und Schüler der Neunten Klasse kamen bereits beim Kochen mit den drei Seniorinnen und Senioren ins Gespräch und teilten erste Assoziationen zu Europa. Im Anschluss setzten die Teilnehmenden in kleineren Gruppen zusammen und diskutierten zusammen mit den Experten von Wir sind Europa verschiedene Szenarien für Gegenwart und Zukunft der Europäischen Union. Beim gemeinsamen Essen kamen dann sowohl persönlich empfundene Vorteile eines vereinten Europas, wie auch Kritikpunkte an der EU auf den Tisch. Das Format soll auch in Zukunft an der Schlieben-Schule weiter fortgesetzt werden.

Expertengespräch zur sorbischen Kultur.

Obwohl im nur 50 Kilometer entfernten Bautzen ein sorbisches Zentrum liegt, das einen starken Einfluss auf die Region hat, hat die sorbische Minderheit in Zittau selbst bislang kaum eine Rolle gespielt. Aus diesem Grund haben wir Vertreterinnen und Vertreter der sorbischen Minderheit mit den Verantwortlichen des Kulturhauptstadtbüros Zittau 2025 zu einem Expertengesprächzusammengebracht. Gemeinsam sollte diskutiert werden, wie die sorbische Kultur mit in die Bewerbung zur Kulturhauptstadt einfließen kann. Dabei wurde eine breite Themenvielfalt, u.a. Vielsprachigkeit, angesprochen. Bei weiteren geplanten Treffen sollen diese Themen weiter vertieft und eine Strategie entwickelt werden, wie diese Ideen umgesetzt werden können. Einen tieferen Einblick in das Gespräch und die Bedeutung der sorbischen Kultur für die Kulturhauptstadtbewerbung bietet der Artikel Kulturelle Vielfalt als Chance? auf unserem Blog.

Den Abschluss der Veranstaltungen in Zittau bildete die offene Diskussionsrunde Open Space Europe, bei der die anwesenden Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit hatten, in kleinen Runden direkt mit dem Oberbürgermeister der Stadt Thomas Zenker, den Vertretern und Vertreterinnen des Kulturhauptstadtbüros sowie mit Expertinnen und Experten aus Medien, Kultur und Wissenschaft ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und ihre Meinung zu äußern. Das Interesse daran war groß – trotz sommerlicher Temperaturen kamen etwa 70 Personen zum Open Space Europe in das Gerhart-Hauptmann-Theater. Nach kurzen Präsentationen der Ergebnisse der vorangegangen Workshops und Veranstaltungen, hatten die Anwesenden die Möglichkeit an insgesamt vier Tischen sich zu Europa und der Bedeutung Europas für Zittau auszutauschen. Das Thema der Kulturhauptstadtbewerbung spielte dabei eine große Rolle. Beispielsweise wurde zusammen mit dem Oberbürgermeister der Stadt darüber diskutiert, inwiefern die Bewerbung auch als Instrument zur Europäisierung der Kommunalpolitik genutzt werden kann. Deutlich wurde dabei, dass viele Zittauer die Bewerbung auch als Chance für die Region sehen. Vor allem die Schaffung einer besseren Infrastruktur und besserer Perspektiven für die Bürgerinnen und Bürger waren wichtige Themen.

Nele Hertling im Gespräch im Bürgerinnen und Bürgern beim Open Space Europe in Zittau. Foto: Matthias Weber / photoweber.de

Was eine solche Bewerbung für die Qualität und Arbeit von Bewerberstädten bedeuten kann, darüber wurde an einem weiteren Tisch zusammen mit den Projektverantwortlichen des Kulturhauptstadtbüros Zittau 2025 und Hugo de Greef, dem Generaldirektor Europäische Kulturhauptstadt Brügge 2002, diskutiert. Hugo de Greef, machte als Experte deutlich, dass ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Bewerbung sei, die Bevölkerung von Anfang an in den Prozess miteinzubinden. Der Bürgerentscheid, so scheint es, war also der richtige Weg.

Dass die besondere geographische Lage Zittaus nicht nur bei der Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt ein großer Vorteil sein kann, das zeigte sich auch in einem weiteren Tischgespräch: Viele Zittauer erleben Europa ganz selbstverständlich auf regionaler Ebene in ihrem Alltag durch Besuche und Einkäufe in den drei Grenzstädten. Diese Besonderheit muss bei der Bevölkerung wieder mehr ins Bewusstsein gebracht werden, so die einstimmige Meinung.

In Anspielung auf die Ergebnisse der Europawahl Ende Mai, machte Oberbürgermeister Thomas Zenker am Ende der Veranstaltung deutlich, dass die Kulturhauptstadtbewerbung in einer Region, in der europakritische Kräfte sehr erfolgreich sind, auch einen politischen Charakter hat. Trotz teilweise schlechter Gegebenheiten in allen drei Grenzstädten, z.B. in Bezug auf Infrastruktur, arbeiten die Menschen zusammen: „Hier funktioniert Europa wirklich.“

Fotos Open Space: Matthias Weber/photoweber.de