„Europa ist keine Option, Europa ist Notwendigkeit“

Julia Bohlmann

Der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, fordert in seiner Europa-Rede, Europa konkret und zukunftsorientiert zu denken. Von seinem Vorgänger habe er gelernt, ein guter Tag für die Europäische Investitionsbank ist, wenn sie nicht in den Medien auftaucht. Entgegen diesem Prinzip ist Präsident Werner Hoyer mit der diesjährigen Europa-Rede am 9. November 2022 und der anschließenden Podiumsdiskussion mit jungen Europäer:innen ins Licht der Öffentlichkeit getreten. Ob er damit seiner Institution einen Gefallen getan hat?

Der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer. Foto: Juliane Liebers

Nachdem die Europa-Reden der vergangenen Jahre mit Ursula von der Leyen, David Sassoli und Charles Michel von sehr prominenten Vertreter:innen der bekanntesten EU-Institutionen gehalten wurden, hat die Einladung zur diesjährigen Rede bei vielen sicherlich erstmal Fragen aufgeworfen: Was ist eigentlich die Europäische Investitionsbank (EIB)? Wofür ist sie zuständig? Wer ist Werner Hoyer? Und wieviel Finanzkompetenz wird bei den Zuhörer:innen vorausgesetzt?

Am Abend der Europa-Rede ist das Allianz Forum am Brandenburger Tor jedenfalls gut gefüllt. Neben den vielen bekannten und unbekannten Gesichtern ist auch ein neues dabei: Oleksij Makejew, seit zwei Wochen Botschafter der Ukraine in Deutschland. Der russische Angriffskrieg und die europäische Solidarität mit der Ukraine stehen ohne Zweifel im Mittelpunkt des Abends. Das Blau und Geld der Flaggen der EU und der Ukraine neben dem Schwarz-Rot-Gold der deutschen Flagge am Rednerpult unterstreichen diese Solidarität wie drei Ausrufezeichen. 

Und doch gelingt es Präsident Hoyer auch eigene Akzente zu setzen, seine Institution und ihre Rolle zu erklären. Wer hätte gedacht, dass die EIB…

  1. …nicht nur der Finanzierungsarm der Europäischen Union, sondern auch das weltweit größte multilaterale Finanzierungsinstitut ist?
  2. …als Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland bereits 2014 alle Geschäfte mit Russland eingestellt hat?
  3. …unmittelbar nach dem russischen Angriff im Februar 2022 668 Millionen Euro zur Sicherung der Liquidität der ukrainischen Regierung bereitgestellt hat und bisher mit 1,6 Milliarden Euro den Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur unterstützt?
Im Anschluss an seine Europa-Rede diskutierte EIB-Präsident Hoyer noch mit jungen Europäer:innen. Foto: Juliane Liebers

Am Jahrestag des Mauerfalls betont Präsident Hoyer, dass dieser Ort, das Brandenburger Tor in Berlin, seit nunmehr 33 Jahren ein Symbol ist für die Freiheit und den Willen der Menschen, nach ihr zu streben. Abweichend von seinem Redeskript berichtet Präsident Hoyer davon, wie er persönlich den 9. November 1989 erlebte. Während einer eher langweiligen Sitzung im Deutschen Bundestag in Bonn habe ihn und seine Kollegen die Nachricht von der plötzlichen Öffnung der Berliner Mauer erreicht. Anekdotisch und voller Anerkennung hebt Hoyer hervor, dass Helmut Kohl diesen historischen Moment nicht nur als Chance für die deutsche Einheit, sondern vor allem auch für die europäische Einigung verstand und sich unermüdlich für diese „zwei Seiten derselben Medaille“ eingesetzt habe. Die historische Chance der Gegenwart sei, durch grüne Transformation „gleichzeitig dem Klimawandel und der Bedrohung durch Autokraten entgegenzutreten, nicht irgendwann, sondern jetzt.“

Mit seiner Europa-Rede hat sich Werner Hoyer zum Kampf gegen den Klimawandel, zur Sicherung von Europas Zukunft und zur Unterstützung der Ukraine bekannt. Dieses überzeugte Plädoyer für Europa wird wohl kaum ohne Resonanz in der Öffentlichkeit bleiben. Und will man den Worten seines Vorgängers glauben, so war der 10. November 2022 kein guter Tag für die EIB. Für Europa war es jedenfalls ein guter Tag. 

EIB-Präsident Hoyer mit Julia Bohlmann (2.v.l.) und den beiden Schülerreporterinnen Areen Salam (r.) und Hannah Haas (l.).
Die Europa-Rede findet alljährlich am 9. November in Berlin statt. Foto: Juliane Liebers
Diskussion mit jungen Europäer:innen im Anschluss an die Europa-Rede (v.l.: Werner Hoyer, Iryna Riabenka, Hubert Tadych, Anke Plättner, Marius Schlageter, Anne Flotho-Liersch). Foto: Juliane Liebers